Wenn Führung leise manipuliert – verdeckter Narzissmus in der Chefetage
- Nicole Dildei
- 2. Juli
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 31. Juli
Es gibt Führungskräfte, die niemandem auffallen – und doch alles im Raum verändern. Sie wirken kompetent, zugewandt, manchmal fast sensibel. Ihre Worte sind bedacht, ihr Auftreten ruhig, und sie schaffen es, sich als reflektiert und verantwortungsbewusst zu inszenieren. Und doch hinterlässt ihr Führungsstil bei vielen Mitarbeitenden ein Gefühl von Verunsicherung, Selbstzweifeln, subtiler Angst oder emotionaler Erschöpfung.
Was hier wirkt, ist oft kein offener Machtmissbrauch – sondern verdeckter Narzissmus.

Was ist verdeckter Narzissmus – und warum ist er in Führung besonders gefährlich?
Verdeckter Narzissmus unterscheidet sich fundamental vom klassischen, offenen Narzissmus. Während der offene Narzisst laut, dominierend und selbstverliebt auftritt, bleibt der verdeckte Narzisst eher im Hintergrund.
Er wirkt nicht arrogant, sondern verletzlich. Nicht machtvoll, sondern sensibel. Nicht herrschsüchtig, sondern überfordert. Doch genau diese Fassade dient einem Zweck: Kontrolle zu behalten, ohne zur Verantwortung gezogen zu werden.
In Führungspositionen ist dieser Typus besonders kritisch. Denn eine Führungskraft mit verdeckt-narzisstischen Anteilen baut keine gesunde Vertrauensbasis auf – sondern ein System aus subtiler Abhängigkeit, Schuldumkehr und emotionaler Unsicherheit.
Woran Sie verdeckten Narzissmus bei Führungskräften erkennen
Am Anfang wirkt alles stimmig. Die Führungskraft zeigt sich zugewandt, hört aufmerksam zu und gibt sich reflektiert. Doch mit der Zeit häufen sich irritierende Momente: Entscheidungen werden zurückgezogen, Kritik führt zu Rückzug oder subtilen Gegenangriffen. Es entsteht ein Klima, in dem niemand so recht weiß, woran man ist.Mitarbeitende werden verunsichert, Verantwortlichkeiten verschwimmen, Kommunikation verliert an Klarheit.
Verdeckte Narzissten übernehmen selten echte Verantwortung. Stattdessen betonen sie, wie belastet sie seien, wie wenig Einfluss sie hätten oder wie unfair das System sei. Sie präsentieren sich als „leidende Führungskräfte“ – nicht als lösungsorientierte Gestalter.
Dabei zeigen sich wiederkehrende Muster:
Sie nehmen konstruktive Kritik als persönlichen Angriff wahr – und reagieren mit Rückzug, Schweigen oder subtiler Kränkung.
Sie nutzen Lob und Aufmerksamkeit als Machtmittel – oft unvorhersehbar und selektiv.
Sie fördern Mitarbeitende nur bis zu einem Punkt – wer zu sichtbar wird, wird leise entwertet oder isoliert.
Sie lenken die Aufmerksamkeit geschickt weg von sich selbst und erzeugen eine Dynamik, in der das Team sich verantwortlich fühlt – für die Stimmung, die Ergebnisse, ja sogar für die emotionale Stabilität der Führungskraft.
Die Wirkung auf das System
Verdeckter Narzissmus in der Führung wirkt wie eine stille Sabotage: Nicht laut, nicht offensichtlich, aber konsequent.Mitarbeitende verlieren das Vertrauen – nicht nur in die Führungskraft, sondern in ihre eigene Wahrnehmung. „Vielleicht übertreibe ich. Vielleicht bin ich zu sensibel. Vielleicht sollte ich loyaler sein.“
Dieses ständige Infragestellen des eigenen Erlebens ist kein Zufall. Es ist Teil der verdeckten Manipulation: Emotionale Abhängigkeit wird nicht durch Druck, sondern durch Unsicherheit erzeugt. Gleichzeitig erleben Teams eine Art emotionale Erschöpfung, weil echte Nähe nicht zugelassen, aber permanent emotionale Leistung eingefordert wird.
Solche Führungskräfte schaffen es oft, sich nach außen perfekt zu inszenieren: gegenüber dem Vorstand, der Presse, externen Partnern. Intern hingegen entstehen stille Spannungen, hohe Fluktuation oder chronisch blockierte Prozesse – ohne klare Ursachen.
Verdeckter Narzissmus zerstört nicht von außen. Er zerbricht Strukturen von innen – langsam, leise, aber effektiv.
Warum das Umfeld so lange mitspielt
Eines der größten Probleme bei verdecktem Narzissmus: Die Menschen im Umfeld erkennen ihn oft zu spät.Weil er sich gut tarnt.Weil er nie direkt angreift.Weil er emotionale Intelligenz vortäuscht, um Bindung zu erzeugen – und diese dann nutzt, um Kontrolle auszuüben.
Gerade empathische, loyale und engagierte Mitarbeitende sind besonders gefährdet. Sie übernehmen Verantwortung, gleichen aus, geben sich selbst die Schuld, wollen es „noch besser machen“.Genau diese Energie nährt den verdeckten Narzissmus. Denn er braucht keine offenen Rebellen – er braucht stille Helfer:innen, die sich selbst verlieren, um das System zu erhalten.
Was Sie tun können – wenn Sie betroffen sind
Wenn Sie spüren, dass Sie in einem solchen Führungssystem arbeiten oder es selbst mit einer verdeckt-narzisstischen Führungskraft zu tun haben, ist der erste Schritt die Rückverbindung zu Ihrer eigenen Wahrnehmung.
Beobachten Sie Ihre Gefühle nach Gesprächen: Fühlen Sie sich gesehen – oder verunsichert?
Schreiben Sie auf, was konkret gesagt wurde – und was Sie tatsächlich fühlen. Oft hilft das, die Diskrepanz zu erkennen.
Suchen Sie sich externen Rückhalt: Supervision, Coaching oder ein neutraler Sparringspartner kann helfen, emotionale Klarheit zu gewinnen.
Reflektieren Sie, ob Ihre Grenzen respektiert werden – oder ob Sie sich ständig rechtfertigen müssen.
Erlauben Sie sich, Klarheit zu schaffen – auch wenn es bedeutet, unbequeme Entscheidungen zu treffen.
Und wenn Sie selbst in einer Führungsrolle sind?
Auch das darf Raum bekommen. Vielleicht spüren Sie, dass Sie oft missverstanden werden, sich zurückziehen, wenn es emotional wird, oder andere kleinhalten, um sich selbst sicher zu fühlen.Das bedeutet nicht, dass Sie falsch führen – aber vielleicht, dass es etwas gibt, das gesehen und geklärt werden möchte.Verdeckter Narzissmus entsteht nicht aus Bosheit. Er ist oft das Resultat unverarbeiteter Verletzungen, unbewusster Muster und eines Selbstbilds, das Anerkennung braucht – aber Nähe fürchtet.
Wahre Führung beginnt dort, wo Selbstverantwortung größer wird als das Bedürfnis nach Kontrolle. Und wo innere Aufrichtigkeit zur Quelle von Vertrauen wird – nicht Taktik.
Fazit
Verdeckter Narzissmus ist keine Frage von Lautstärke – sondern von Wirkung.
In der Führung zerstört er Vertrauen, lähmt Teams und vergiftet Kultur – nicht sichtbar, aber spürbar.
Deshalb ist es so wichtig, dass wir hinschauen.
Nicht, um zu verurteilen.
Sondern um zu unterscheiden:
Was dient dem System – und was dient nur dem Ego?
Führung darf verletzlich sein.
Aber sie darf nicht aus dem eigenen Schmerz heraus führen, ohne sich dessen bewusst zu sein.
Die neue Zeit braucht Klarheit.
Und Klarheit beginnt mit dem Mut, das Unausgesprochene zu benennen.
Herzlichtführung e. V. ist ein gemeinnütziger Verein für Businessfrauen, die sich in männlich geprägten Strukturen, toxischen Dynamiken oder emotionaler Manipulation gefangen fühlen – und die sich neu ausrichten, stärken und entfalten möchten.
Wir begleiten dich auf deinem Weg – fachlich fundiert, menschlich nah und mit einem erfahrenen Netzwerk aus Coaches, Therapeuten und Beratern. In unserer Gemeinschaft wirst du gesehen, gehalten und daran erinnert: Du bist nicht allein.
Wenn du spürst, dass es Zeit ist, etwas zu verändern – in dir, in deinem Umfeld oder in deiner Führung – dann ist jetzt der richtige Moment.
Wir sind für dich da. Mit Herz, mit Klarheit, mit Erfahrung.
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